Strafzölle rauf, E-Motorräder runter: Krisenmodus für Harley-Davidson | heise autos
Es erscheint wie ein Déjà-vu: Donald Trump ist kaum im Amt und schon droht er der EU wieder mit Strafzöllen, genau wie bei seiner ersten Präsidentschaft. Dass er es ernst meint, zeigt die am 12. März umgesetzte Zollerhöhung von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium aus der EU. Die EU-Kommission wiederum will ab 1. April mit 25 Prozent Zöllen auf Produkte aus den USA reagieren, bei US-Motorrädern über 500 cm3 Hubraum sollen es 50 Prozent sein. Indian Motorcycle trifft das Problem nicht, denn deren Mutterkonzern Polaris betreibt ein Werk in Polen, wo die Motorräder innerhalb der EU produziert werden und somit die Zölle umgehen. Harley-Davidson hingegen würde es hart erwischen, die ohnehin nicht gerade billigen US-Bikes würden noch einmal deutlich teurer.
Verkaufszahlen sinken stetig
Dabei sinken in Europa schon seit Jahren die Verkaufszahlen der Marke. Dass Harley-Davidson 2024 in Deutschland mit 8706 Neuzulassungen ausnahmsweise ein Plus von 19,9 Prozent zum Vorjahr schrieb, lag an der Rabattschlacht und den Tageszulassungen zum Jahresende, weil die Euro-5+-Norm vor der Tür stand. Doch im gesamten Europa wurde mit rund 24.000 Einheiten elf Prozent weniger verkauft als im Vorjahr. Zollerhöhungen schaden der Wirtschaft im In- und Ausland, denn Hersteller und Käufer leiden gleichermaßen. Die Kosten für die erhöhten Zölle werden vom Importeur über die Händler an die Kunden weitergegeben, was erfahrungsgemäß zu Kaufzurückhaltung führt und den Umsatz einbrechen lässt.
Bild 1 von 6Harley-Davidson im Krisen-Modus (6 Bilder)

Harley-Davidson
)Das käme für Harley-Davidson zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn die Firmenzentrale in Milwaukee versucht gerade verzweifelt, das Ruder im Abwärtstrend wieder herumzureißen. Dort fungiert mit Jochen Zeitz ausgerechnet ein Deutscher als CEO der US-Marke. 2024 lieferte Harley-Davidson weltweit 148.862 Motorräder aus, das waren 17 Prozent weniger als im Vorjahr. Das operative Einkommen des Herstellers sank um satte 47 Prozent auf 417 Millionen Dollar. Nur zum Vergleich: 2014 verkaufte Harley-Davidson noch 329.776 Motorräder. Die Marke selbst stellte ihren Aktionären für 2025 die Prognose, dass der Umsatz um bis zu fünf Prozent sinken wird – dabei waren die erhöhten EU-Zölle noch gar nicht berücksichtigt.
Für Händler in der EU wird es bedrohlich
Irrigerweise behauptet Trump, dass durch seine Zölle die heimische Industrie gestärkt und Arbeitsplätze gesichert würden, obwohl erwiesenermaßen das Gegenteil der Fall ist. Die EU hat bereits zur ersten Amtszeit des Präsidenten minutiös herausgearbeitet, wo sie die amerikanische Wirtschaft am empfindlichsten treffen kann, und das bevorzugt in US-Bundesstaaten, die von Republikanern regiert werden. Deshalb hat die EU unter anderem Whiskey, Jeans, Erdnussbutter, Boote und eben auch Motorräder aus den USA ins Visier genommen. Dass darunter die europäischen Harley-Davidson-Händler leiden werden, ist der EU-Kommission bekannt, wird aber in Kauf genommen. Beim ersten Zollkrieg mit Donald Trump wurde der Zoll auf Harley-Davidsons um 25 auf insgesamt 31 Prozent erhöht und es drohten sogar 56 Prozent. Unter Präsident Biden Ende 2021 kehrte man zum langjährig üblichen Zollsatz von sechs Prozent zurück.
"Motorräder sollten nicht zum Kollateralschaden werden"
Schon damals warnten die europäischen Harley-Davidson-Dealer, dass ihre Existenz durch die hohen Zölle gefährdet sei, nun stehen sie erneut vor derselben prekären Situation. Der Verband der europäischen Motorradhersteller ACEM protestierte am 12. März entschieden gegen die Maßnahmen, denn sie befürchten auch Umsatzeinbußen der europäischen Marken in den USA. Ihr Generalsekretär, Antonio Perlot, sagte: "Motorräder sollten nicht zum Kollateralschaden großer Handelskonflikte werden. Die Motorradindustrie schafft hochwertige Arbeitsplätze, ermöglicht Mobilität und ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. In Handelskriegen gewinnt niemand, deshalb fordern wir eine faire Lösung für beide Seiten." Der Verband setzt sich dafür ein, dass Motorräder wieder von der Liste der Strafzölle gestrichen werden.
Harleys made in Thailand gelten als US-Ware
Bei einer Zollerhöhung um 50 Prozent würde beispielsweise die in Deutschland vergangenes Jahr meistverkaufte Harley-Davidson, die Street Bob, statt 17.500 Euro Listenpreis, 25.302 Euro kosten, die beliebte Fat Boy würde von 26.770 Euro auf 38.705 Euro springen. Zwar könnte die Teuerung vom Hersteller etwas abgefedert werden, indem Harley-Davidson die Mehrkosten durch die Zölle nicht komplett weiterreicht, aber ein Teil würde auf jeden Fall als Preissteigerung beim Käufer landen. Dabei kommen inzwischen alle Harley-Davidsons für den europäischen Markt aus einem Werk in Thailand, das dort 2018 in Betrieb genommen wurde. Deshalb klagte Harley-Davidson schon beim ersten Zollkrieg vor dem Europäischen Gerichtshof, dass ihre EU-Motorräder gar nicht mehr aus den USA kämen, verlor jedoch letztinstanzlich. Das Gericht stellte fest, dass das Werk in Thailand der US-Marke hauptsächlich dazu diene, Zölle zu umgehen. Die EU-Strafzölle treffen nicht nur die Harley-Davidson-Händler, sondern auch europäische Zulieferer. Beispielsweise liefert die italienische Firma Brembo Bremssyteme an Harley-Davidson, das ABS steuert Bosch bei. Wenn Harley-Davidson weniger Motorräder verkauft, bedeutet das auch Umsatzeinbußen für die in der EU ansässigen Zulieferer.
LiveWire-E-Motorräder ganz offenbar kein Ausweg
Das Geschäft mit seinen Elektromotorrädern, die Harley-Davidsons Marke "LiveWire" vermarktet, wird den Konzern auch nicht aus der Krise führen, es dürfte ihn ganz im Gegenteil sogar noch mehr belasten. Schon die Entwicklung der Elektromodelle hat gewaltige Summen verschlungen, verkauft hat LiveWire letztes Jahr ganze 612 Elektromotorräder – und zwar weltweit.
Der Umsatz sank im Vergleich zum Vorjahr um 31 Prozent. Durch den Zollkrieg würde sich die Lage noch verschlimmern, denn auch Elektromotorräder und Motorräder mit Verbrennungsmotoren unter 500 cm3 Hubraum will die EU mit höheren Zöllen belegen, deren genaue Höhe noch nicht bekannt ist.