Statt Schulden: Deutschland kann jährlich Milliarden einsparen
Während Union und SPD neue Schulden beschließen, vergessen sie das Sparen, meinen Kritiker. Und nicht alle der oft genannten Sparmöglichkeiten ergeben Sinn. Oft schaffen sie erhebliche Nachteile. Trotzdem: Deutschland kann ganz ohne Schulden jährlich Dutzende Milliarden Euro einsparen.
1. Rente: Niedrigere Bezüge, höhere Beiträge
Mit Abstand das größte Einsparpotenzial hat die Regierung bei der Rente:
- Insgesamt knapp 133 Milliarden Euro zahlt der Bund jährlich in die Rentenkasse ein – zusätzlich zu den Beiträgen der Angestellten.
- Damit verschlingt die Rente über ein Viertel des gesamten Bundesbudgets von knapp 40 Milliarden Euro
- Über 80 Milliarden davon entfallen auf Zuschüsse, die das System am Laufen halten.
- Knapp 20 Milliarden entfallen auf Beiträge für Kindererziehungszeiten (Menschen in Elternzeit zahlen keine Beiträge, bekommen aber später Rente für diese Zeit. Der Bund zahlt die Beiträge für sie.)
- 11,5 Milliarden zahlt der Bund für die Grundsicherung im Alter.
Wegen dieser riesigen Beträge kann der Bund mit kleinen Änderungen viel Geld sparen:
- Erhöht die Regierung den Rentenbeitrag um einen Prozentpunkt, bringt das laut Schätzung der Deutschen Rentenversicherung 19 Milliarden zusätzlicher Einnahmen. Diesen Betrag muss der Bund der Rentenkasse künftig weniger zuschießen.
- Senkt die Regierung das Rentenniveau um einen Prozentpunkt, sinken die Ausgaben um vier Milliarden Euro. Auch dieses Geld kann sich der Bund sparen.
Nachteil: Arbeitnehmern und Rentnern bleibt weniger Geld. Das dürfte ihnen missfallen und schadet, weil sie dann weniger konsumieren, auch der Wirtschaft.
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2. Gesundheit: Zurück zur Arztbindung
Müssen Patienten bei Krankheiten erst zum Hausarzt, spart das Gesundheitssystem Geld: Der Hausarzt überweist die Menschen passgenauer zum richtigen Facharzt, als wenn sich diese selbst durchprobieren. Im Wahlkampf waren sich die Parteien einig, Patienten besser zu steuern.
Die Politik kann:
- Den Hausarzt als erste Anlaufstelle festlegen. Direkte Besuche beim Facharzt wären dann nur im Notfall möglich.
- Die Praxisgebühr wieder einführen: Wer ohne Überweisung zum Facharzt geht, muss dafür einen festgelegten Betrag bezahlen.
- Variable Versicherungstarife einführen: Ein teurer Tarif erlaubt freie Arztwahl, ein günstiger Tarif verpflichtet zunächst zum Hausarzt-Besuch.
Nachteil: Entweder erschwert die Regierung Patienten den Arztbesuch oder sie schafft, was Kritiker als „Zwei-Klassen-Medizin“ bezeichnen: Einige Patienten bekommen Leistungen, die andere Patienten nicht bekommen. Geringverdiener könnten sich zur schlechteren Option gezwungen fühlen.
3. Straßen: Maut für alle (30 bis 40 Milliarden Euro)
Noch schenkt der Staat allen Menschen freien Zugang zur Straße. Stellt er Autofahrern die Straßennutzung in Rechnung, nimmt er, je nach Höhe der Maut, Milliarden ein.
- Das Umweltbundesamt schätzt die Nutzungskosten der Straße auf rund vier bis fünf Cent pro Kilometer.
- Zahlen die Autofahrer diesen Betrag durch eine automatisierte Erhebung, nimmt der Bund laut Studie rund 30 bis 40 Milliarden Euro ein.
- Die Studie stammt aus dem Jahr 2021, gilt im Grundsatz aber noch heute.
Nachteil: Eine solche Maut verteuert das Autofahren, alle Kosten eingerechnet, um rund zehn Prozent.
4. Gebäudeenergiegesetz streichen (rund zehn Milliarden Euro)
Der Bund könnte das Gebäudeenergiegesetz streichen, mit dem die Ampelkoalition den Umstieg auf Wärmepumpen beschleunigen wollte. Rund zehn Milliarden Euro spart dies jährlich.
Nachteil: Die Streichung dürfte den Umstieg auf energieeffiziente Heizungen verzögern. Sie untermauert außerdem den Eindruck einer unzuverlässigen Förderlandschaft in Deutschland, den Unternehmer kritisieren.
5. Erneuerbare-Energien-Gesetz streichen oder auf Kunden umlegen (rund 18 Milliarden Euro)
18,5 Milliarden Euro zahlte der Bund im Jahr 2024 für Vergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieses garantiert den Erzeugern erneuerbarer Energien feste Vergütungen für ins Stromnetz eingespeisten Strom.
Die Regierung könnte die garantierte Vergütung streichen oder, wie bis ins Jahr 2020 üblich, über eine EEG-Umlage von den Stromkunden zahlen lassen.
Nachteil: Streicht die Regierung das EEG, dürfte sich der Ausbau Erneuerbarer Energien verlangsamen. Legt sie die Kosten auf die Kunden um, verteuert sie den ohnehin teuren Strom weiter.
6. Umweltschädliche Subventionen streichen (mehr als 20 Milliarden Euro)
Umweltschädliche Subventionen kosteten Deutschland im Jahr 2018 über 65 Milliarden Euro, schätzt das Umweltbundesamt. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Die Beträge dürften aber weiter immens sein. Zwei Beispiele, die das Umweltbundesamt nennt:
- Verringerte Mehrwertsteuer für tierische Produkte: Weil auf viele Fleisch- und Milchprodukte der verringerte Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent gilt, entstehen Steuerausfälle von rund 5,2 Milliarden Euro im Jahr. Bei der Erzeugung dieser Produkte entsteht aber mehr CO2 als bei pflanzlichen Alternativen. Den Steuersatz anzuheben bringt also mehr Einnahmen und senkt den CO2-Ausstoß, folgert das Amt.
- Kerosin: Während Autofahrer auf einen Liter Benzin rund 43 Cent Treibstoffsteuer zahlen, zahlen Fluggesellschaften auf Kerosin keinen Cent. Dadurch entgehen den Bund Einnahmen von rund zwölf Milliarden Euro.
Nachteil: Nahrungsmittel und Flüge sind ohnehin teuer. Sie zusätzlich zu verteuern, dürfte viele Verbraucher verärgern.
Oft ist die Gesetzeslage auch kompliziert. Eine EU-Regel begrenzt zum Beispiel die Besteuerung von Kerosin erheblich. Derzeit behilft sich die Regierung mit einer Ticketsteuer. Eine Treibstoffsteuer könnte aber zusätzliche Einnahmen erzeugen und belohnt Flugzeuge mit wenig Verbrauch.
Das große Problem: Sparen dauert
CDU, CSU und SPD bieten sich also Sparmöglichkeiten. Alle bringen aber Nachteile mit sich. Ob sich die Maßnahmen dennoch lohnen, ist eine politische Entscheidung.
Dass die Koalitionäre trotz Sparoptionen zügig immense Schulden aufnehmen wollen, überrascht dennoch nicht. Bis sie Sparmaßnahmen beschließen und bis diese wirken, dauert es. Der Bund braucht aber zügig Geld.
Gleichzeitig schließt sich das Fenster zur Änderung der Schuldenbremse mit dem alten Bundestag drei Wochen nach der Wahl. Im neuen Bundestag halten AfD und Linke zusammen über ein Drittel der Stimmen und können die Änderung blockieren. Deswegen setzt Neukanzler Friedrich Merz (CDU) auf die Vorgehensweise "Erst Schulden, dann sparen". Das Risiko besteht freilich darin, dass die Politik das Sparen am Ende vergisst.