TV-Talk über Söder offenbart großes Problem der grünen Gerechtigkeitsdebatte
Es war eine dieser TV-Debatten, die nicht lange in Erinnerung bleiben würden – wenn da nicht dieser eine Moment gewesen wäre. Maybrit Illner lud zum politischen Ringkampf, doch was folgte, war kein Duell der Argumente, sondern eine Abrechnung mit dem männlichen Geschlecht.
CSU-Chef Markus Söder wurde nicht für seine Politik attackiert, sondern für sein Geschlecht. Britta Haßelmann, Fraktionschefin der Grünen, sprach von "Breitbeinigkeit, Pöbeleien und mackerhafter Attitüde" – Worte, die anklangen wie eine Generalabrechnung mit dem Mann an sich.
Haßelmann zog dann die Frauen zum Vergleich: „Ich kenne keine Frau in der Politik, keine einzige, von Frau von der Leyen, Frau Merkel, die können Sie alle durchgehen (…) die sich so gebärden würde wie dieser Mann.“
Diskriminierung - nur im schickeren Gewand?
Es ist ein Narrativ, das sich seit Jahren durch die politischen und gesellschaftlichen Debatten zieht: Der alte, weiße Mann als Symbol des Rückständigen, des Machtbesessenen, des Problematischen.
Die Union? Ein "rückständiger Männerverein". Söder? Eine Karikatur des Patriarchats. Die Botschaft: Wer in diesem Land männlich ist und sich nicht für die eigene Existenz entschuldigt, gehört zur aussterbenden Art. Doch ist das wirklich Fortschritt? Oder nicht vielmehr eine neue Art der Diskriminierung – nur in schickerem Gewand?
Mehr aus dem Bereich Meinung
Meistgelesene Artikel der Woche
Meine Großmutter hätte darüber den Kopf geschüttelt. Sie wurde 1923 geboren, in einer Zeit, in der Frauen gerade erst das Wahlrecht erhalten hatten. Ihre Generation hat gekämpft – für Bildung, für Unabhängigkeit, für Teilhabe. Und sie hätte wohl eines nicht verstanden: Warum dieser Kampf nun so geführt wird, dass er neue Ungerechtigkeiten schafft. Sie wusste, dass Gleichberechtigung kein Nullsummenspiel ist. Man gewinnt sie nicht, indem man die eine Seite drückt, sondern indem man alle hebt.
Und genau hier liegt das Problem der grünen feministischen Debatte. Sie dreht sich nicht mehr um Chancengleichheit, sondern um Schuldzuweisungen. Der Mann soll nicht mehr gleichgestellt sein, sondern abgelöst werden. Die Vergangenheit? Eine patriarchale Katastrophe. Die Zukunft? Ein exklusiver Klub für Frauen. Doch wer so argumentiert, stellt keine Balance her, sondern kippt die Waage in die entgegengesetzte Richtung.
Feminismus ist auf dem Weg, das eigene Versprechen zu verraten
Natürlich gibt es in der Union viele männliche Entscheidungsträger. Natürlich muss sich das ändern. Keine Frage. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Aber aus dem Fakt darf nicht die Tatsache resultieren, dass die Politik sich über Quoten definiert und Männer diskriminiert.
Echte Fairness bedeutet, allen den gleichen Zugang zu ermöglichen – nicht, die eine Gruppe auf Kosten der anderen zu bevorteilen. Die Wahrheit ist: Feminismus ist auf dem Weg, sein eigenes Versprechen zu verraten. Er war einst eine Bewegung für Gleichheit, doch immer mehr Akteure machen ihn zu einem Instrument der Spaltung.
Wer als Mann in der Politik noch den Mund aufmacht, riskiert inzwischen, als Relikt einer vergangenen Ära abgestempelt zu werden. Wer sich gegen überzogene Quoten ausspricht, wird schnell zum Feindbild. Dabei wäre die eigentliche Frage doch: Seit wann ist es feministisch, andere zu diskriminieren?
Maybrit Illner bot Haßelmann eine Bühne, auf der sie ihre Abrechnung zelebrieren konnte. Sie sprach nicht über Inhalte, sondern über Attitüden. Nicht über politische Differenzen, sondern über Geschlechterkampf. Und genau das ist das Problem: Die Debatte ist toxisch geworden, weil sie sich nicht mehr um Lösungen dreht, sondern nur noch darum, wer auf welcher Seite steht.
Wer wirklich für Gleichberechtigung kämpft, spaltet nicht
Gleichberechtigung darf kein Monolog sein, sondern muss ein Dialog bleiben. Wer glaubt, dass pauschale Männerkritik ein Zeichen von Fortschritt sind, irrt. Wirkliche Emanzipation bedeutet, auf Augenhöhe zu diskutieren, ohne Kriegsgräben zu ziehen.
Wer wirklich für Gleichberechtigung kämpft, lässt sich nicht auf das Spiel der Spaltung ein. Stattdessen fordert er gleiche Chancen – unabhängig vom Geschlecht. Denn Gleichberechtigung heißt nicht, das Pendel von einer Ungleichheit zur anderen schwingen zu lassen, sondern dafür zu sorgen, dass es endlich zur Ruhe kommt.
Markus Söder mag für vieles kritisiert werden. Aber ihn pauschal als Relikt einer untergehenden Männerherrschaft darzustellen, ist nicht nur unredlich, sondern auch absurd. Wer wirklich Gleichberechtigung will, sollte sich nicht in absurden Feindbildern verlieren, sondern sich auf Inhalte konzentrieren. Denn am Ende entscheidet nicht das Geschlecht – sondern die Leistung.
Nun interessiert mich von Herzen, was Sie, liebe Leser, beim Lesen empfunden haben: Sind Sie Team Haßelmann oder Team Brockhaus? Seien Sie sich gewiss, ich lese immer all Ihre Kommentare, Mails und Nachrichten.
Wenn Sie mögen, lesen wir uns nächste Woche wieder.
Ihre Nena Brockhaus
Nena Brockhaus, geboren 1992, ist Wirtschaftsjournalistin, Fernsehmoderatorin, politische Kommentatorin und fünffache SPIEGEL-Bestsellerautorin (Unfollow, Pretty Happy, Ich bin nicht grün, Alte Weise Männer, Mehr Geld als Verstand). Ihr aktuelles Buch MGAV stieg auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Nach Stationen bei Handelsblatt, Wirtschaftswoche und Bunte moderierte sie für BILD die tägliche Polit-Talkshow Viertel nach Acht. Seit 2024 kommentiert Brockhaus für WELT TV wöchentlich die deutsche Innenpolitik. Mit ihrer Kolumne „Nena und die andere Meinung“ für FOCUS online möchte sie zu einem differenzierten Meinungsbild in unserer Gesellschaft beitragen – gerne auch mit unpopulären Thesen und der Erweiterung des Sagbaren.