Trumps abstruse Obsession mit dem Friedensnobelpreis hat einen konkreten Grund
Erratisch, sprunghaft, unberechenbar: Als US-Präsident setzt Donald Trump die bisherige regel- und normbasierte Welt der Innen- und Außenpolitik außer Kraft. Sein Umgang mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist ein Beispiel dafür.
Am 19. Februar bezeichnete der Republikaner seinen Amtskollegen als „Diktator“, acht Tage später konnte er sich daran nicht mehr erinnern, am neunten Tag warf er Selenskyj nach einem unwürdigen Schauspiel im Oval Office aus dem Weißen Haus.
Trump ist vom Friedensnobelpreis besessen
Kiew ist und bleibt ein Fixpunkt des 78-Jährigen. Im Wahlkampf hatte Trump behauptet, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Die Realpolitik belehrte ihn eines Besseren.
Trotzdem: Trump will den seit mehr als drei Jahren andauernden Konflikt lösen – dasselbe gilt für den Krieg im Gazastreifen, der aufgrund seiner Geschichte weitaus komplexer ist. Wie kann es sein, dass Trump, der innenpolitisch an Macht interessiert ist, um sich an seinen Feinden zu rächen, außenpolitisch als vermeintlicher Konfliktlöser auftritt?
Diese Frage lässt sich mit einem Wort beantworten: Friedensnobelpreis. In der US-Hauptstadt gilt es ein offenes Geheimnis, dass Trump von der Auszeichnung besessen ist. Die Gefolgsleute des Präsidenten sind dabei, ihren Chef ins rechte Licht zu rücken. Im Februar sagte Finanzminister Scott Bessent zu Fox News, dass Trump den Preis für seine Bemühungen im Ukraine-Krieg verdiene: „Wenn er fair vergeben würde, sollte er ihn bekommen.“
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Es geht um Barack Obama
Die Abgeordnete Elise Stefanik, designierte US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, forderte den Preis während der jüngsten CPAC-Konferenz, Innenminister Doug Burgum und Sicherheitsberater Mike Waltz stimmen in den Chor ein. „Am Ende wird der Nobelpreis neben dem Namen von Donald J. Trump stehen“, sagte Waltz.
Am 3. März schließlich kündigte der Abgeordnete Darrell Issa auf X an, Trump für den Preis im kommenden Jahr nominieren zu wollen. „Niemand verdient ihn mehr“, fügte Issa an. Wer die eigentliche Motivation hinter der republikanischen Nobelpreisoffensive erkennen will, muss zu Fox News wechseln, dem Haus- und Hofsender der US-Konservativen.
Im Artikel über Issa steht unter der Überschrift der folgende Satz: „Obama bekam die prestigeträchtige Auszeichnung weniger als ein Jahr nach dem Beginn seiner ersten Amtszeit.“ Es geht also um Barack Obama, den ehemaligen Präsidenten. Dem Demokraten wird nachgesagt, Trump mit deftigen Witzen beim White House Correspondents‘ Dinner 2011 erst zu einer Präsidentschaftskandidatur angestachelt zu haben. Seit dieser Zeit verbindet die beiden Männer eine innige Feindschaft.
Trump wurde mehrfach für Friedensnobelpreis nominiert
Obama konnte sich die Zoten damals erlauben, 2011 hatte er als Präsident bereits zwei historische Erfolge vorzuweisen. 2010 hatte er den Affordable Care Act (Obamacare) durch den Kongress gebracht und damit das US-Gesundheitssystem fundamental verändert.
Zwei Jahre zuvor, nur neun Monate nach Amtsantritt, gab das Nobelpreiskomitee in Oslo bekannt, den 48-Jährigen vor allem für seinen Einsatz zur Eindämmung von Atomwaffen mit dem Friedensnobelpreis auszuzeichnen. Viele Beobachter hielten diese Entscheidung für verfrüht.
Im Jahr 2019 sagte Trump, er sollte den Preis „für viele Dinge bekommen, wenn er fair vergeben würde, was nicht der Fall ist. Sie haben Obama gleich nach seinem Aufstieg zum Präsidenten einen Preis verliehen, und er hatte keine Ahnung, warum er ihn bekam. Das war das Einzige, worin ich mit ihm einer Meinung war.“
Trump wurde während seiner Zeit als Präsident mehrfach für den Friedensnobelpreis nominiert – jedes Mal ging er leer aus. Davon lässt sich der Staatschef nicht beeindrucken. Bei einem Treffen mit Israels Premier Benjamin Netanjahu im Februar dieses Jahres wurde Trump gefragt, ob er hoffe, den Friedensnobelpreis zu bekommen. „Ich verdiene ihn“, sagte er, „aber sie würden ihn mir niemals geben.“
Im Oktober wird sich zeigen, ob Trump den Nobelpreis bekommt
Objektiv betrachtet könnte man an dieser Stelle fragen: warum auch? Der Krieg in der Ukraine dauert an, Trumps Äußerungen in Richtung Kiew und Selenskyj lassen vermuten, dass ein möglicher Deal mit Moskau für das angegriffene Land einer brutalen Niederlage gleichkommen würde.
Im anderen akuten Kriegsgebiet, dem Gazastreifen, schockierte der US-Präsident die Welt mit der Ankündigung, die rund zwei Millionen Palästinenser im Küstenstreifen in andere arabische Staaten „umzusiedeln“. Im Anschluss will er das zerstörte Küstengebiet unter US-Kontrolle in eine wirtschaftlich florierende „Riviera des Nahen Ostens“ verwandeln.
Im Oktober wird sich zeigen, ob Trump den Nobelpreis bekommt. Dann gibt das Osloer Komitee bekannt, wen es in diesem Jahr auszeichnet. Kurz vor der Einreichungsfrist am 31. Januar nominierte die israelische Professorin Anat Alon-Beck den US-Staatschef für seine Nahostpolitik und seine Mitarbeit am Geiseldeal zwischen der Hamas und Israel.
Als entscheidende Kraft bei den Verhandlungen sieht sich jedoch ein anderer Politiker: Trumps Amtsvorgänger und Barack Obamas Vizepräsident Joe Biden. Als dieser nach der Bekanntgabe des Geiselabkommens im Weißen Haus gefragt wurde, ob Trump nicht Anerkennung verdiene, antwortete Biden: „Ist das ein Witz?“
Von Johannes Altmeyer
Das Original zu diesem Beitrag "„Ich verdiene ihn“: Das steckt hinter Trumps Obsession mit dem Friedensnobelpreis" stammt von Tagesspiegel.