Millionen Deutsche haben Knochenschwund: So behandeln Sie Osteoporose richtig

Volkskrankheit Osteoporose: Jedes Jahr erkranken 885.000 Menschen in Deutschland neu an Knochenschwund. Doch weniger als ein Viertel aller Fälle wird frühzeitig diagnostiziert und adäquat behandelt. Dabei gibt es wirksame Therapien von Hormonen bis zu neuen, knochenaufbauenden Antikörper-Wirkstoffen. Unser Experte gibt einen Überblick.

Prof. Ralf Schmidmaier, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der LMU München, Leiter des Bayerischen Osteoporosezentrums und Präsident des Dachverbands Osteologie e. V. 

Herr Prof. Schmidmaier, warum sind viele Menschen mit Osteoporose in Deutschland therapeutisch unzulänglich versorgt?
Prof. Schmidmaier: Leider wissen wir, dass selbst Patientinnen mit schweren Brüchen wie einer Oberschenkelhals- oder Wirbelkörperfraktur nur chirurgisch versorgt werden – aber die zugrunde liegende Erkrankung nicht. Das ist vergleichbar mit einem Herzinfarkt, bei dem man zwar das Herzkranzgefäß wieder öffnet, aber keine Medikamente gibt. In der Kardiologie unvorstellbar! Wir brauchen mehr Bewusstsein bei Ärzten und Ärztinnen – und Patienten. 

Die Folgen dieser Erkrankung können weitreichend sein: etwa lebenslange Rückenschmerzen oder der Verlust von Selbstständigkeit. Durch rechtzeitige Therapie kann so viel Leid vermieden werden.

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Muss man bei jedem Knochenbruch sofort an Osteoporose denken?
Ein Bruch ist immer ein Alarmsignal. In der neuen Leitlinie empfehlen wir jedem, der 50 Jahre und älter ist und eine Fraktur erleidet, mit seinem Hausarzt zu sprechen, ob das noch normal ist. Bei Verdacht kann dieser eine Knochendichtemessung veranlassen. Gerade für die zahlreichen Frauen Anfang 50, bei denen so eine verringerte Knochendichte auffällt, lässt sich viel mehr erreichen, als wenn es mit 70 zur Diagnose Osteoporose kommt.

Wann braucht es Osteoporose-Medikamente?
Wenn das errechnete Frakturrisiko für Schenkelhals- und Wirbelkörperbrüche in den nächsten drei Jahren fünf Prozent übersteigt, sind Medikamente angezeigt. Die Basistherapie (siehe unten) reicht dann nicht mehr. Dafür steht eine Reihe von Substanzen zur Verfügung, die auf verschiedene Weise in den Knochenstoffwechsel eingreifen. Am meisten verordnet sind orale Bisphosphonate, die man nach einem Bruch einmal pro Woche nimmt. Sie hemmen den weiteren Knochenabbau, brauchen aber einige Zeit, bis sie ihre Wirkung voll entfalten. Falls das Risiko für eine erneute Fraktur sehr hoch ist, kommen daher andere Medikamente ins Spiel. Das kann ein intravenös verabreichtes Bisphosphonat sein oder der Antikörper Denosumab – auch dieser stoppt den Knochenabbau und sorgt laut Studien zügig für eine Zunahme an Knochendichte.

Basistherapie bei Osteoporose

Diese Maßnahmen fördern die Knochenfestigkeit:

  • Eine ausreichende Zufuhr von Kalzium und Vitamin D ist essenziell. Die empfohlenen Dosierungen liegen bei 1.000 bis 1.500 mg Kalzium (z. B. in Milchprodukten, Parmesan, Nüssen, Samen, grünem Blattgemüse) und 800 bis 2.000 iE Vitamin D pro Tag.
  • Körperliches Training stärkt die Muskeln und Knochenfestigkeit. Zudem bessern sich Beweglichkeit, Koordination und Gleichgewichtssinn – das senkt die Sturzgefahr.

Welchen Frauen raten Sie zu einer Hormontherapie gegen die verminderte Knochendichte?
Hormone können Knochenmasseverlust nachweislich entgegenwirken. Ob sie eine Option sind, gilt es abzuwägen. Kommt eine Frau mit 45 frühzeitig in die Wechseljahre, sind Sexualhormone klar die Therapie der Wahl. Ist sie seit Kurzem in der Menopause, würde ich genau nachfragen, ob sie neben der niedrigen Knochendichte auch an Wechseljahresbeschwerden leidet. Wegen des Knochenschutzes allein dürfen wir keine Hormone verordnen.

Worin liegt das Risiko einer Hormontherapie?
Mit der Hormongabe ist ein leicht erhöhtes Brustkrebsrisiko verbunden, aber eben auch viele Benefits für den Körper. Es gibt ein weiteres Osteoporose-Medikament, den selektiven Östrogenrezeptormodulator Raloxifen. Er hat den Vorteil, dass er wie ein Östrogen auf den Knochen wirkt, aber wie ein Antiöstrogen auf die Brustdrüse, also das Brustkrebsrisiko umgeht. Dafür muss man wiederum die höhere Thrombosegefahr im Blick haben.

Nun gibt es noch neue, direkt knochenaufbauende Wirkstoffe. Sind sie die ultimative Wahl?
Nein, die sogenannten Osteoanabolika – das sind derzeit die drei Wirkstoffe Teriparatid, Romosozumab und Abaloparatid – setzen wir nur bei Patientinnen mit sehr hohem Frakturrisiko ein. Es gibt etwa Menschen, die schon mit 50 Jahren eine sehr niedrige Knochendichte haben. Wenn diese Bisphosphonate nehmen, die ja „nur“ den Knochenabbau hemmen, haben sie mit 55 immer noch das gleiche Problem. Bei den Anabolika sehen wir eine sehr hohe Wirkung bei insgesamt wenige Nebenwirkungen. Leider sind sie sehr kostspielig.

Stichwort Nebenwirkungen: Viele Frauen haben Angst vor einer Kieferknochennekrose durch Bisphosphonate. Ist sie berechtigt?
Wenn die Indikation Osteoporose besteht und das Frakturrisiko hoch ist, überwiegt der Vorteil der Therapie fast immer. Vor einer Kiefernekrose, bei der Knochen abstirbt, muss niemand mehr Angst haben. Ja, früher hatten wir schwere Kiefernekrosen durch Bisphosphonate, da der Zusammenhang nicht erkannt war. Unter der normalen Osteoporose-Dosis ist das Risiko sehr gering – unwahrscheinlicher, als vom Blitz getroffen zu werden. Nekrosen treten im Prinzip nur auf, wenn begünstigende Faktoren wie Druck- und Scheuerstellen im Kiefer-Zahn-Bereich vorliegen. Diese müssen vor der Therapie behandelt werden. Für den Fall der Fälle haben die Zahnärzte eine eigene Leitlinie dazu. Man sollte generell regelmäßig zur Kontrolle gehen, dann lassen sich Probleme frühzeitig beheben.

Wird Osteoporose irgendwann heilbar?
Heilung ist ein großes Wort, mit dem ich vorsichtig bin. Aber ja, die Knochendichte lässt sich heute so gut anheben, dass man dem normalen Altersdurchschnitt entspricht. Wer es dann noch schafft, Risikofaktoren wie Rauchen oder Untergewicht abzustellen, ist wieder gut dabei.

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