Kommentar zum Zollkrieg: Die EU muss auf die US-Techkonzerne zielen
>Wenn es um Zölle geht, dann fackelt Donald Trump nicht lange – er greift zum Flammenwerfer. Und benimmt sich wie ein 80er-Actionheld auf Rachefeldzug, der das Welthandelssystem brennen sehen will. China hat stante pede mit harten Gegenmaßnahmen auf Trumps Draufgängertum geantwortet. Und die EU, tja, was macht die eigentlich? Hängt die gepfefferte Antwort noch im Fax fest?
Axel Kannenberg durchforstet seit 2012 für heise online und seit 2023 für iX die unendlichen Weiten des Internets nach News, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Beherrscht die edle Kunst des Beleidigungsfechtens. Hat 2013 einen Döner für umgerechnet mehrere Tausend Euro genossen (nach heutigem Bitcoinkurs).
Am Montag machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch das Angebot einer Freihandelszone auf Industriegüter – und kassierte die erwartbare Watsche Trumps. Nun kursieren Berichte über eine Liste mit zahlreichen Gütern, auf die die EU Zölle erheben wolle, teilweise ab Mai, teilweise ab Dezember – die EU-Staaten sollen darüber am Mittwoch abstimmen. Auf der Liste finden sich etwa Harley-Davidson-Motorräder, Boote, Rindfleisch, Sojabohnen, Kaugummi, Zahnseide und Erdnussbutter. Die habe man ausgewählt, weil sie in Staaten hergestellt werden, die die Republikaner wählen, oder weil es sich um ikonische amerikanische Produkte handelt.
Handelsungleichgewicht? Haben wir auch
Könnten wir statt schlappen Symbol-Zöllen auf Cowboyhüte und Käse aus der Sprühdose bitte mal dahin zielen, wo es wirklich weh tut? Ich meine natürlich die US-Techkonzerne. Gemessen an der Schleimspur, die deren CEOs huldvoll um ihro allergöttlichste Magnifizienz Donald I. gezogen haben, darf man sie ja wohl auch zu den Unterstützern der Republikaner zählen.
Ein massives Handelsungleichgewicht, diesmal zu Ungunsten der EU, braucht man ebenfalls nicht lange suchen. Betriebssysteme, Bürosoftware, Clouddienste, KI, soziale Medien, Streaming, Online-Handel und -Werbung – fast überall wird der deutsche wie der europäische Digitalraum schließlich von US-Anbietern dominiert. Allein Alphabet, Microsoft, Apple, Meta und Amazon haben 2024 rund 400 Milliarden US-Dollar Gewinn gemacht, das ist fast einmal das deutsche Sondervermögen für Infrastruktur. Ein angedrohter Tritt in diese Kronjuwelen dürfte jedenfalls sitzen.
Einmal das volle Paket bitte
Vergangene Woche noch zitierten Berichte eine Sprecherin der französischen Regierung, dass die EU ebenfalls Dienstleistungen bei ihren Vergeltungsmaßnahmen aufs Korn nehmen wolle – und das hieße auch: digitale Dienste. Genau das braucht es jetzt: ein großes Paket wider Big Tech mit Zöllen, Sondersteuern, Beschränkungen im Beschaffungswesen und all den bürokratischen Daumenschrauben und Nippelklemmen, wie sie nur die evil Masterminds der EU aushecken können. Noch ein Einführungsfrist-Schleifchen drum und mit besten Grüßen eines Wirtschaftsraums von fast 500 Millionen Menschen ab ans Weiße Haus.
Das wäre ein Zeichen der Stärke, was ja scheinbar das Einzige ist, das Trump respektiert. Und es würde die nötige Verhandlungsmasse schaffen. Wer so hart einsteigt, kann sich nämlich problemlos auf ein angemessenes Ergebnis herunterhandeln lassen. Der Dealmaker im Weißen Haus könnte sich im Anschluss sogar noch von seiner MAGA-Crowd feiern lassen, was er wieder Tolles rausgeholt hat.