Signal-Rückzug hinfällig - Frankreichs Parlament stimmt gegen E2EE-Schwächung

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In einer nächtlichen Abstimmung entschied sich das französische Parlament gegen ein umstrittenes Gesetzesvorhaben des Innenministers Retailleau. Der Entwurf sah vor, zur Bekämpfung der Drogenkriminalität Hintertüren für Ermittler in verschlüsselte Kommunikation (E2EE, End-to-End Encryption) einzubauen. Auch unter Parlamentariern war das geplante Gesetz umstritten, weswegen Mitglieder des Regierungsbündnisses am späten Abend des 20. März verschiedene Änderungen einbrachten. Doch auch diese reichten nicht für eine Mehrheit – die Nationalversammlung lehnte den Gesetzesvorschlag mit einer deutlichen Mehrheit von 119 Gegen- zu 24 Ja-Stimmen ab.

In der teils hitzig geführten Debatte brachten Abgeordnete die auch von der digitalen Zivilgesellschaft geäußerten Bedenken gegen eine Schwächung verschlüsselter Kommunikation vor: Es bestünde ein zu großes Risiko, dass sämtliche Gespräche auf Plattformen wie Signal gefährdet seien. Ein technischer Fauxpas führte zudem zu Verzögerungen bei der namentlichen Abstimmung, die erst kurz vor Mitternacht beendet war. Die französische Regierung hat im Parlament keine eigene Mehrheit und war daher zur Durchsetzung des Vorhabens auf die Stimmen der Opposition angewiesen.

Der Vorstoß des französischen Innenministers war politisch wie zivilgesellschaftlich höchst umstritten. Meredith Whittaker, Chefin der Messenger-App Signal, hatte diese Woche angedroht, dass sich der freie Messenger aus Frankreich zurückziehen wird, sollte das vorgeschlagene Drogenhandelsgesetz in dem Land verabschiedet werden. In Artikel 8 des Vorschlags für ein neues Gesetz zur Verschärfung des Kampfes gegen den Drogenhandel heißt es, dass verschlüsselte Messenger wie WhatsApp und Signal sowie Anbieter von Programmen für verschlüsselte E-Mails wie Proton Mail entschlüsselte Daten der Nutzer bereitstellen müssen – innerhalb von 72 Stunden nach Aufforderung französischer Ermittler oder Behörden.

Einen ähnlichen Vorstoß gab es bereits vor einigen Jahren in Großbritannien. Dort wollte die Regierung mit ihrem "Online Safety Bill" zur Bekämpfung des Online-Kindesmissbrauchs die Verschlüsselung per Gesetz einschränken. Auch damals dachte Signal über einen Rückzug aus Großbritannien nach. Die Proteste waren erfolgreich, denn die britische Regierung hat letztlich Zugeständnisse gemacht und will WhatsApp & Co. vorerst nicht zur Chatkontrolle zwingen.

Signal: Angriff auf die Privatsphäre

Trotzdem versuchte der französische Innenminister nun ebenfalls einen "unreifen, unehrlichen Angriff" auf die Privatsphäre der Bürger, wie Meredith Whittaker es nennt. Die Google-Kritikerin ist seit Herbst 2022 Präsidentin von Signal, dem freien Messenger für verschlüsselte Online-Kommunikation der US-amerikanischen, gemeinnützigen Signal-Stiftung. Aufgrund der Verschlüsselung ist Signal nicht nur für den US-Senat und dessen Mitarbeiter zugelassen, sondern auch die empfohlene Anwendung für den Nachrichtenversand der Europäischen Kommission und ihrer Mitarbeiter sowie etwa des schwedischen Militärs.

"Das französische Gesetz gegen den Drogenhandel würde Anbieter verschlüsselter Kommunikation – wie Signal – dazu verpflichten, eine Hintertür zu schaffen, indem sie der Regierung erlauben, sich in beliebige Gruppen oder Chats einzutragen", schreibt Whittaker bei X, vormals Twitter. "Im Namen der Bekämpfung des Drogenhandels."

Kritische Stimmen aus der Branche

Befürworter des neuen Gesetzes würden argumentieren, dass die Verschlüsselung nicht entfernt würde. Doch sie betont, "Ende-zu-Ende-Verschlüsselung darf nur zwei 'Enden' haben – Absender und Empfänger". Andernfalls könne sie nur von Hintertüren sprechen und das "reißt ein Loch in die Hülle der privaten Kommunikation". Sie hofft, dass der Angriff auf die Privatsphäre erfolglos bleibt, aber "Signal würde den französischen Markt verlassen, bevor es dieses Gesetz in seiner schriftlichen Form einhalten würde."

Whittakers Kollegen in der Branche denken ähnlich. So befürchtet Matthew Hodgson, Chef des freien Element-Messengers (ehemals Riot.im), dass der französische Gesetzesvorschlag "technisch nicht machbar ist, ohne die Sicherheit von Messaging- und E-Mail-Diensten grundlegend zu schwächen". Und laut Brusselssignal hält Matthias Pfau, Leiter des verschlüsselten E-Mail-Dienstes Tuta aus Hannover, den Gesetzesvorschlag für "nicht notwendig oder verhältnismäßig".

Sorge vor eingehender Überwachung

Die französische Nichtregierungsorganisation für digitale Bürgerrechte "La Quadrature du Net" ist nach eingehender Betrachtung des Gesetzesvorschlags sehr besorgt. Das neue Gesetz sei nicht nur gegen Drogenhändler gerichtet, sondern könne auch zur Überwachung von Aktivisten genutzt werden. Denn eine Bestimmung des Gesetzes stuft sämtliche Dokumente, die Einzelheiten zu den Methoden der Überwachungstechniken bei Ermittlungen enthalten, als geheim ein.

Damit würde die Öffentlichkeit im Unklaren gelassen, welche Methoden Ermittler und Behörden zur Überwachung einsetzen können. Das Gesetz würde der Polizei laut Bürgerrechte-NGO auch erlauben, Mikrofone und Kameras von Computern und Smartphones aus der Ferne aktivieren zu können, um Personen auf diese Weise ausspionieren zu können.

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