Charkiw, Odessa, Sumy: UN erkennt bei Putins Terror „beunruhigendes Muster“
Was sich in den vergangenen Wochen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine abgespielt hat, zeigt immer deutlicher, wie grausam Putins Truppen vorgehen. Der jüngste Vorfall ereignete sich am 13. April in Sumy, einer Stadt mit rund 200.000 Einwohnern, die nur rund 30 Kilometer westlich der russischen Grenze liegt.
Während viele Menschen am Palmsonntag in die Kirchen gingen, griffen Putins Truppen um kurz nach 10 Uhr das Zentrum der Stadt mit einer Iskander-Rakete an. Schnell strömten Hilfskräfte herbei, um zahlreiche Verletzte zu versorgen, die zwischen vielen Toten und Trümmerteilen am Boden lagen. Dann geschah das, womit niemand gerechnet hatte: Nur kurze Zeit nach dem ersten Angriff wurde die Innenstadt nach ukrainischen Angaben von einer zweiten Rakete getroffen.
Die Opfer diesmal waren vor allem jene, die gekommen waren, um den Verletzten zu helfen. Vorläufige Schreckensbilanz laut ukrainischen Angaben: 35 Tote und mehr als 110 Verletzte. Die russische Regierung hingegen behauptete, dass 60 ukrainische Militärs bei dem Angriff getötet worden seien.
Putins Taktik des Schreckens
Die Bilder aus Sumy sind erschütternd. Doch sie stehen nicht allein. Derartige Doppelschläge – sogenannte „Double-Tap“-Attacken – sind längst Teil eines kalkulierten Systems. Putin greift nicht nur militärisch an, sondern mit der gezielten Absicht, Schmerz, Angst und Verzweiflung maximal zu steigern.
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Was Russland in Sumy und zuvor bereits in Charkiw oder Odessa demonstrierte, hat Methode. Erst wird ein ziviles Ziel getroffen. Wenn sich Retter und Sanitäter versammeln, folgt der zweite Schlag – meist binnen weniger Minuten. Das Ziel: noch mehr Tote, noch mehr Schrecken, ein maximaler psychologischer Effekt.
„Grausamste und unethischste Tötungsmaschinerie der Welt“
Diese Form der Kriegsführung ist keineswegs neu. Schon in Syrien testete Moskau die Methode – mit verheerender Wirkung. Nach Angaben von Raed al-Saleh, Chef der syrischen Hilfsorganisation „Weißhelme“, seien für die Zeit zwischen 2015 und 2017 „Hunderte solcher Fälle dokumentiert, seit Russland interveniert hat“, sagte al-Saleh der BBC.
In einem Gespräch mit der „Washington Post“ brachte der Weißhelm-Chef diese Taktik noch schonungsloser auf den Punkt: „Die Ukrainer begegnen jetzt der grausamsten, unethischsten und kriminellsten Tötungsmaschinerie, die es heute auf der Welt gibt.
Brutales Kreml-Kalkül: Wer hilft, wird selbst zum Opfer
Putins Kalkül ist nicht nur ein militärischer Sieg allein. Es geht um Demoralisierung – bei der ukrainischen Bevölkerung, aber auch bei ihren Unterstützern im Westen. Der gezielte Angriff auf Rettungsdienste untergräbt das Vertrauen in jede Form von Sicherheit und Schutz. Wer helfen will, wird selbst zum Ziel. Die Botschaft ist klar: Niemand ist sicher.
Laut Recherchen des „RND“ verfolgt der Kreml mit dieser Taktik ein doppeltes Ziel: die Bevölkerung der Ukraine in die Flucht treiben – und gleichzeitig westliche Unterstützung bröckeln lassen. Je brutaler der Krieg, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch in Europa Zweifel regen: Wie lange noch sollen wir diesen Kampf unterstützen?
EU-Politiker verurteilen Putins Doppelschläge als Kriegsverbrechen
Die Reaktionen zahlreicher Politiker auf den jüngsten Angriff in Sumy haben einen klaren Tenor: Mit derartigen Attacken versuchen Putins Truppen, ganz gezielt die Zivilbevölkerung der Ukraine zu töten.
CDU-Chef Friedrich Merz, der am 6. Mai zum nächsten Bundeskanzler gewählt werden soll, bezeichnete den Doppelschlag „eindeutig“ als „ein Kriegsverbrechen, und zwar ein schweres“. Der britische Premierminister Keir Starmer zeigte sich „entsetzt über die grausamen Angriffe Russlands auf die Zivilbevölkerung“.
Noch direkter verurteilte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron den Angriff auf die Zivilbevölkerung. „Jedermann weiß, dass dieser Krieg von Russland allein begonnen wurde. Und heute wurde klar, dass Russland ihn fortführen will - unter eklatanter Missachtung von Menschenleben, internationalem Recht und den diplomatischen Bemühungen von Donald Trump.“
UN verurteilen „beunruhigende Doppelschläge“, Russland weist Schuld von sich
Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten stellte dem Bericht zufolge in den vergangenen Wochen ein „besonders beunruhigendes Muster von Doppelschlägen“ fest und nannte dies „grausam und skrupellos“. Seit Kriegsbeginn sollen nach Angaben des „Ukraine's State Emergency Service" (DSNS) 91 Retter durch russische Angriffe getötet und mehr als 340 verletzt worden sein.
Die russische Armee hat solche verbotenen Doppelschläge bislang nie dementiert, jedoch wiederholt bestritten, bewusst zivile Ziele anzugreifen.