Der Grünen-Wunsch im Grundgesetz ist ein trojanisches Pferd
Es gibt Inszenierungen, die sind so skurril, dass man sie fast bewundern muss. Die Grünen verkaufen sich einmal mehr als politische Heilige, während zahlreiche Medienmenschen in devoter Ergebenheit den Chor der Bewunderer in den sozialen Medien verstärken.
Selbst ein erfahrener Medienmanager wie Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer der "Zeit Verlagsgruppe", reiht sich in diese Euphorie ein und lobt auf LinkedIn die Grünen: „Ein großes, herzliches Dankeschön an die „grünen Spinner“! Dank ihres tatkräftigen Einsatzes werden die 500 Milliarden nun sinnvoll und zukunftsweisend investiert – in Verteidigung und echte Zukunftsprojekte, statt in großzügige Geschenke für die eigene Klientel. Wäre dies nicht auch einmal ein Grund für #Freude über die Zusammenarbeit der bürgerlichen Mitte? Ein Grund für #Zuversicht in unsere Zukunft?“
Das trojanische Pferd der Grünen
Das Narrativ ist perfekt: Die Grünen als Retter der Zukunft, die CDU als zuverlässiger Komplize, die Medien als wohlwollender PR-Apparat. Doch lassen wir einmal die Schulden – euphemistisch Sondervermögen genannt – beiseite.
Das Schlimmste an der unheilvollen Verbindung zwischen Grünen, SPD und Union bei diesem Geschachere ist: Katharina Dröge (40) und Britta Haßelmann (63) von den Grünen haben dafür gesorgt, dass Klimaneutralität bis 2045 als Ziel ins Grundgesetz kommt.
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Ein Meilenstein, rufen die einen. Ein trojanisches Pferd, sagen die anderen. Denn das eigentliche Problem ist nicht einmal die Staatszielbestimmung selbst. Vielmehr wird hier ein Präzedenzfall geschaffen, der es jeder NGO und jeder ideologisch getriebenen Lobbygruppe erleichtert, über den Gerichtsweg Politik zu machen.
Denn das neue Grundgesetz-Ziel ist auch der erste Schritt zu einer möglichen Klagewelle. Jeder Umweltschützer kann dann behaupten, dass ein Gesetz nicht mit dem Grundgesetz konform sei.
"Jede Autobahn-Sanierung stünde auf der Kippe"
Am kommenden Dienstag, seinem letzten Sitzungstag ist es soweit: Dann soll der alte Bundestag mit seinen 333 ausscheidenden Abgeordneten die Schuldenbremse faktisch begraben. Und das Parlament soll die „Klimaneutralität bis 2045“ im Grundgesetz beschließen. Künftige Klagen sind ab dann programmiert.
Wirtschafts-Experte Prof. Jan Schnellenbach (Uni Cottbus) erklärte zuletzt im Gespräch mit der "Bild"-Zeitung: „Falls DAS ins Grundgesetz kommt, ist damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht Investitionen verhindert, Wachstum verlangsamt oder ganz ablehnt. Umweltgruppen könnten dann gegen so gut wie alle Investitionen klagen. Jede Autobahn-Sanierung stünde auf der Kippe!“
Sollte der Bundestag am Dienstag, begleitet von Lobhudelei in den sozialen Medien, die Grundgesetzänderung beschließen, bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des Bundestags vom Bundesverfassungsgericht für ungültig erklärt wird. Dann würde die Union die Häme abbekommen. Das zeigt, dass man sich überlegen sollte, mit wem man sich ins Bett legt. Wer als bürgerliche Kraft den Grünen den roten Teppich ausrollt, muss sich nicht wundern, wenn er am Ende nur noch Zaungast der eigenen Politik ist.
Unternehmer sind besorgt: "Denkbar ungünstige Bedingungen"
Während sich die Grünen gegenseitig selbstbeweihräuchern, kommt aus der Wirtschaft ein ganz anderes Signal. Die Unternehmer in unserem Land bringen ihren Unmut klar zum Ausdruck. Mein WhatsApp-Postfach schwillt seit gestern über. Ein befreundeter Industrieunternehmer schrieb mir früh am Morgen: „Es kommt sehr viel Arbeit auf uns zu, am Standort Deutschland erfolgreich zu bleiben. Es wird noch schwerer. Denkbar ungünstige Bedingungen!“
Und er steht mit dieser Einschätzung nicht allein. Energiekosten, Bürokratie, regulatorische Unsicherheiten – alles Faktoren, die es für Unternehmer immer unattraktiver machen, in Deutschland zu investieren oder Arbeitsplätze zu erhalten. Während die grüne Politik von einer klimaneutralen Zukunft träumt, müssen die Leistungsträger des Landes mit der Realität kämpfen.
Es ist mir schleierhaft, wie es die Grünen geschafft haben, sich als moralische Instanz der Republik zu inszenieren, inklusive Rückenwind gestandener Medienmenschen. Dass hinter der Fassade eine Politik steckt, die den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv schwächt, scheint kaum jemanden zu stören. Doch spätestens, wenn die Arbeitsplätze verschwinden und die Strompreise explodieren, wird sich zeigen, wie viel von der grünen Heiligsprechung übrigbleibt.
Leidenschaftliche Debatten erhalten die Demokratie
Was mir aber viel wichtiger als meine eigenen Ansichten ist, sind die Ihren, liebe Leser. Sind Sie diese Woche Team Brockhaus? Oder Team CDU/Grüne? Seien Sie sich gewiss, ich lese immer all Ihre Kommentare, Mails und Zuschriften.
Wenn Sie mögen, lesen wir uns nächste Woche Samstag wieder! Bleiben Sie so debattierfreudig, wie Sie sind! Ich freue mich durchaus immer über Kommentatoren, die so gar nicht meiner Meinung sind. Leidenschaftliche politische Debatten sind das Lebenselixier einer funktionierenden Demokratie. Davon bin ich überzeugt und möchte mit meiner wöchentlichen Kolumne „Nena und die andere Meinung“ meinen Beitrag dazu leisten.
Ihre Nena Brockhaus
Nena Brockhaus, geboren 1992, ist Wirtschaftsjournalistin, Fernsehmoderatorin, politische Kommentatorin und fünffache SPIEGEL-Bestsellerautorin (Unfollow, Pretty Happy, Ich bin nicht grün, Alte Weise Männer, Mehr Geld als Verstand). Ihr aktuelles Buch MGAV stieg auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Nach Stationen bei Handelsblatt, Wirtschaftswoche und Bunte moderierte sie für BILD die tägliche Polit-Talkshow Viertel nach Acht. Seit 2024 kommentiert Brockhaus für WELT TV wöchentlich die deutsche Innenpolitik. Mit ihrer Kolumne „Nena und die andere Meinung“ für FOCUS online möchte sie zu einem differenzierten Meinungsbild in unserer Gesellschaft beitragen – gerne auch mit unpopulären Thesen und der Erweiterung des Sagbaren.