Palantir als Interimslösung: Bundesrat fordert schnellen Einsatz für die Polizei

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Bayern hat den Pilotbetrieb der Palantir-Software für ihre "verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform" (VeRA) abgeschlossen. VeRA befindet sich seit dem 25. Dezember 2024 im Echtbetrieb. Dies teilte ein Sprecher des Bayerischen Innenministeriums auf Anfrage von heise online mit. Über einen bereits abgeschlossenen Mantelrahmenvertrag könnte es die Technik aus Bayern für die gesamte deutsche Polizei geben. Der Bundesrat fordert den Einsatz als Interimslösung nun ein.

Der Pilotbetrieb von VeRA lief demnach vom 2. September 2024 bis einschließlich 24. Dezember 2024. Als Quellen für eine automatisierte Abfrage über VeRA hat Bayern inzwischen sein Vorgangsbearbeitungssystem (VBS), sein Fallbearbeitungssystem (FBS), den Fahndungsbestand der Bayerischen Polizei (INPOL-Land-Bayern) und den polizeilich lagerelevanten Schriftverkehr (EPost – dient dem bundesweiten Nachrichtenaustausch) angebunden. Dazu seien auch "verfahrensrelevante Datenfelder aus dem Einsatzleitsystem (ELS) und dem Programm zur Bearbeitung von Verkehrsordnungswidrigkeiten (ProVi) angebunden und für die Analyse zur Verfügung gestellt" worden. Der Datenbestand im System kann erweitert werden: "Die Anbindung von weiteren Datenquellen ist abhängig vom fachlichen Bedarf der Analysedienststellen."

Auf dem Weg zur Bundes-VeRA

Die Polizei Bayern will Palantir den Weg ebnen. Die Pläne zur "Bundes-VeRA" waren aber zwischenzeitlich auf Eis gelegt worden, als die Innenministerien einiger Länder das Überwachungssystem ablehnten und auch das Bundesinnenministerium sich dafür entschied, statt Palantir für die Polizei eine eigene Recherche- und Analyseplattform zu schaffen.

Diese Plattform gibt es bisher bis jetzt nicht. Aktuell liege die Priorität im Programm Polizei 20 darin, die Daten der Teilnehmer in das P20-Datenhaus zu bekommen, teilte eine Sprecherin des BMI auf Fragen von heise online am 7. März 2025 mit. Solange diese Daten-Überführung nicht erfolgt sei, würde ein entsprechender Service zur Auswertung und Analyse nicht stattfinden, "die Entwicklung des Services Auswertung und Analyse (ist) zurückgestellt worden, bis die Überführung der Daten weiteren Fortschritt erreicht hat". Es sei "momentan nicht vorgesehen, 'eine Lösung von Palantir als Interimslösung' für die Datenanalyse im Bund einzusetzen".

Nun fordert der Bundesrat in einem Beschluss vom 21. März 2025 genau diese Interimslösung ein, um die "Fähigkeitenlücken der Polizeien des Bundes und der Länder bei der Informationsverarbeitung, Datenzusammenführung und Analyse unverzüglich zu schließen".

Der Bundesrat weist explizit darauf hin, dass "in der jüngsten Vergangenheit oftmals Personen mit psychischen Auffälligkeiten als Täter von Gewalttaten in Erscheinung getreten sind. Um solche schweren Straftaten besser erkennen und erfassen zu können, müssen personenbezogene Verhaltensmuster und Risiken rechtzeitig festgestellt, analysiert und bewertet werden".

Das IT-Großprojekt Polizei 20 kommt nur langsam voran, frühestens ab 2030 könnte die digital vernetzte Polizei über ein vollständig betriebsbereites eigenes Polizei-Datenhaus verfügen. Bis dahin soll "die kurzfristige zentrale Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen Datenanalyseplattform, wie sie bei einigen Landespolizeien im Einsatz ist" bei der "zielgerichteten Datenanalyse einen wichtigen Beitrag zur effektiven Gefahrenabwehr und Strafverfolgung" helfen, fordert der Bundesrat. Bundesweit sollen "Erkenntnisse zwischen Sicherheits-, Gesundheits-, Waffen- und gegebenenfalls Ausländerbehörden" vernetzt werden.

Aktuell wird Palantir als Plattform bei der Polizei in Bayern (Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform – VeRA), Nordrhein-Westfalen (Datenbankübergreifende Recherche und Analyse – DAR) und Hessen (HessenDATA) eingesetzt.

Der Bundesrat nennt die Firma Palantir zwar explizit nicht, fordert die Bundesregierung aber auf, "die bereits im Jahr 2023 geplanten Aktivitäten einer gemeinsam finanzierten, zentral zu betreibenden, rechtlich zulässigen Interimslösung für eine automatisierte Datenanalyseplattform im Programm Polizei 20/20, aus der sich der Bund im Mai 2023 zurückgezogen hat, erneut aufzunehmen".

Änderung der Strafprozessordnung für Datenanalyse

Um die automatisierte Datenauswertung und Analyse auch für die Strafverfolgung einsetzen zu können, fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf die Strafprozessordnung (StPO) zu ändern, "um bestehende Regelungslücken für die Verfolgung von Straftaten zu schließen und der analogen verfassungsrechtlichen Rechtsprechung für den präventiven Bereich zu entsprechen". Ohne Änderung der StPO ist der Einsatz einer bundesweiten (Interims-)Plattform nicht möglich.

Tatsächlich liegt im Bundesjustizministerium bereits seit ein paar Monaten ein Antrag der Justizminister der Länder vor, der aktuell immer noch geprüft werde, wie eine Sprecherin des BMJ auf Nachfrage von heise online mitteilte. Die Justizminister haben sich in ihrer Herbstkonferenz am 28. November 2024 über den "Einsatz von verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattformen im Ermittlungsverfahren" beraten und anschließend den Bundesminister der Justiz gebeten, die Frage zu prüfen "inwieweit bzw. unter welchen Voraussetzungen ein rechtssicherer strafprozessualer Einsatz einer entsprechenden Software zu Ermittlungszwecken ermöglicht werden kann und ob hierfür eine Gesetzesänderung nötig wäre".

Die "drohende Gefahr" Palantir auf dem Prüfstand

Palantir darf bisher nur im Rahmen der Gefahrenabwehr eingesetzt werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Polizei eine automatisierte Datenauswertung und -analyse machen darf, wird grundsätzlich durch die Länder und auf Ebene des Bundes durch das Bundesinnenministerium (Bundeskriminalamt/Bundespolizei) und in den entsprechenden Gefahrenabwehrgesetzen und in den Polizeigesetzen geregelt.

Zuletzt hatte der Bundesrat das ursprüngliche Überwachungs-Sicherheitspaket zur Terrorismusbekämpfung ausgebremst, das in der ursprünglichen Fassung auch Big-Data-Analysen mit Künstlicher Intelligenz und die Zusammenführung polizeilicher Datenbanken im Bereich des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei vorsah. Am 30. Januar 2025 wurde im Bundestag nun in erster Lesung der Entwurf eines neuen "Gesetzes zur Stärkung der polizeilichen Befugnisse" beraten, in dem auch wieder Regelungen zur automatisierten Datenanalyse im Bundeskriminalamtgesetz und Bundespolizeigesetz inklusive Änderungen der StPO vorgesehen sind.

Die Regeln zur Datenanalyse bei der Polizei sind wiederholt Gegenstand beim Bundesverfassungsgericht gewesen. Nun musste auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof prüfen, ob die rechtliche Basis für den Einsatz von Palantir zur automatisierten Datenauswertung und -analyse im Gefahrenvorfeld (also, ohne dass eine konkrete akute Gefahr vorliegen muss) mit der Verfassung des Freistaats vereinbar ist. Konkret ging es um die Auslegung der "drohenden Gefahr" im bayerischen Polizeiaufgabengesetz (PAG).

Die Entscheidung vom 13. März 2025 lautet: Der Einsatz von Palantir zur Abwehr einer Gefahr bleibt grundsätzlich erlaubt – aber nur unter strengen Voraussetzungen. Die Polizei muss in jedem Fall sehr genau prüfen, ob konkrete, nachvollziehbare Tatsachen für eine drohende Gefahr vorliegen, um die Software nutzen zu dürfen. Vage Annahmen, allgemeine Risikoeinschätzungen oder bloße Vermutungen reichen dafür nicht aus.

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